Die Glocken sind wieder vollzählig

 

Die Glocken bis 2021

 

Zwei Glocken hängen im Glockenstuhl des Herrnburger Kirchturms. Sie werden seit jeher von Hand geläutet. Die große Glocke hat einen Durchmesser 105 cm und eine Höhe von 84 cm. Sie wurde 1731 von Lorenz Strahlborn in Lübeck gegossen. Die Glockenhaube ziert ein doppeltes Spitzenmuster und die Inschrift: Soli Deo Gloria (Allein Gott sei Ehre).

 Foto: Karl-Heinz Entschel
Foto: Karl-Heinz Entschel

Die Inschrift auf der Vorderseite der Glocke nennt den damaligen Regenten, Herzog Adolf Friedrich III. von Mecklenburg-Strelitz, den in Dassow ansässigen Kurator der Pfarrstelle Johann Christoph Bachmeister sowie die Kirchenältesten Hinrich Blancke, Hans Mette, Paul Oldenborg und Hinrich Schütte. Auf der anderen Seite steht folgender Vers: »Hilf Herr Jesu lass gelingen / segne unser Gotteshaus / gib uns Heil zu allen Dingen / wann wir gehen ein und aus / Hilf dass uns die neue Glocke alle in den Himmel locke.« An allen vier Seiten ist der Spruch mit je einem Engelkopf gerahmt. Der obere ist von zwei Kronen flankiert, der untere von zwei Pinienzapfen.

Die kleinere Glocke daneben hat einen Durchmesser von 79 cm und eine Höhe von 66 cm. Sie wurde von Johann David Kriesche in Lübeck gegossen. Sie ist nicht so sorgfältig gearbeitet wie die größere Glocke. 1782 wurde sie für Herrnburg aus einer älteren, vermutlich beschädigten Glocke umgegossen. Die Glockenhaube und der Schlagring sind mit einem Rokokomuster verziert. Auf der Haube steht neben der Angabe des Glockengießers ebenfalls: Soli deo gloria. Die Inschrift auf der Vorderseite nennt den Regenten, Adolf Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz (Neffe des sohnlosen Adolf Friedrich III.). Die Rückseite nennt den damaligen Pastor Johann Ernst Jührs und die Kirchenältesten (»Kircheniuraten«) Pagel Oldenborg aus Großmist, Jochim Michael Harmssen aus Pahlen, Hans Oldenburg aus Lührstorp und Hinrich Schutt aus Herrnburg. Flankiert wird diese Inschrift von je einem Vogel und einer Ranke, darüber befinden sich eine Krone zwischen zwei Rosen und darunter ein Engelkopf.

Foto: Karl-Heinz Entschel
Foto: Karl-Heinz Entschel

Auf der anderen Seite neben der größeren Glocke ist ein großer freier Platz. Hier hing bis zum Ersten Weltkrieg eine dritte Glocke. Sie war die größte der drei Glocken mit einem Durchmesser von 122 cm und einer Höhe von 98 cm. 1690 war sie in Ratzeburg gegossen und 1707 renoviert worden. Eine Maria mit Kind im linken Arm und einem Apfel auf einer Mondsichel schmückte sie neben den Inschriften. Sie war die Glocke der Turmuhr. Die Turmuhr ist schon lange nicht mehr in Betrieb. Es ist eine einfache Uhr mit nur einem Zeiger, dem Stundenzeiger und einem Gewicht, das im Turm nach unten hing.

 

Im Juli 1917, während des Ersten Weltkriegs, wurden die große und die kleine Glocke nach Schönberg zur Erfassung gebracht – 1195 kg »kriegswichtiges Material«. Im Juni 1921 erhielt die Gemeinde die kleine Glocke zurück. Die große Glocke blieb verschwunden. Die mittlere der ursprünglich drei Glocken hatte den Krieg unbeschadet in Herrnburg überstanden. Sie diente nun als Glocke für die Uhr. Als die größere der beiden verbliebenen Glocken sollte sie jedoch in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen werden. Sie wurde abgeholt und nach Hamburg gebracht. Dort wurde sie nach dem Krieg von zwei Herrnburger Gemeindegliedern auf dem so genannten Glockenfriedhof gefunden. Sie wurde nach Herrnburg zurückgebracht. Der Krieg war gerade noch rechtzeitig zu Ende gegangen, so dass unsere Glocke nicht für Kanonen und Munition eingeschmolzen wurde.

Foto: Karl-Heinz Entschel
Foto: Karl-Heinz Entschel

Anfang der 1980er Jahre war geplant, einen elektrischen Motor für das Geläut einzubauen. Dafür wurden die Glocken 1985 jeweils mit einem gekröpften Joch versehen. Weil durch das gekröpfte Joch der Schwerpunkt der Glocke nach oben verlegt wird, lässt sie sich leichter läuten. Zum Einbau des Motors ist es nie gekommen. Doch durch die Kröpfung können die Glocken nun mit einem Seil von unten im Turm geläutet werden. Bis dahin musste, wer Läutedienst hatte, die Glocken wegen ihres Gewichtes mit den Füßen in Bewegung versetzen. Fachleute fürchten heute allerdings, dass durch die gekröpfte Aufhängung Scherkräfte beim Läuten entstehen, die dem Material schaden. Deshalb raten sie dazu, die Kröpfung rückgängig zu machen.

Frank Martin Brunn